Argentinien – Eisiger Grenzübergang

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Mit einem Freund will Heiko Beyer das Campo Hielo Sur, das wilde südliche patagonische Inlandeis, zu Fuß bezwingen. Doch windige Böen, Schnee- und Eisregen und riesige Gletscherspalten verlangen den Abenteurern alles ab und zwingen sie zu einem anstrengenden Umweg.

Heiko Rolf Deutsch“ – so lautet mein neuer Name. Der Immigrationsbeamte im kleinen argentinischen Ort El Chalten macht den gleichen Fehler, der mich seit Jahren bei meinen Reisen durch Lateinamerika verfolgt. Zugegeben, auf dem deutschen Reisepass steht die Nationalität direkt unter den Vornamen, dann erst folgt der Nachname. Ich beschließe, den eifrigen argentinischen Staatsdiener nicht zu belehren und konzentriere mich lieber auf den Monitor, der in der Amtsstube vor sich hinflimmert. Auf dem ziehen auf einer Internet-Wetterseite in Echtzeit mächtige Tiefdruckgebiete über das Campo Hielo Sur, das wilde südliche patagonische Inlandeis, auf dem wir vier Tage lang unterwegs sein wollen.

Wasserfälle von Iguacu - Blick von der brasilianischen Seite

Beladen mit schweren Rucksäcken voller Lebensmittel, sturmsicheren Zelten, warmen Daunenschlafsäcken, Steigeisen, Seilen, Schneeschuhen, Gletscherbrillen und natürlich Foto- und Videokameras kämpfen wir uns am nächsten Tag durch ein langes Gletschertal, das uns direkt zum Marconi-Pass, dem leichtesten Zugang zum Inlandeis bringen wird.

Eine dreitägige Sturmfront hat sich schon am Vortag angekündigt und wir beschließen, heute einen Gewaltmarsch durchzuziehen, um noch vor dem Eintreffen des Unwetters in einer ehemaligen militärischen Schutzhütte der Chilenen, die direkt auf einem Steinplateau im Eis steht, anzukommen.

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Die ersten Böhen pfeifen uns um die Ohren, als wir uns am Rande des Gletschers über blankgeschliffene Steinwände nach oben kämpfen. Große Gletscherspalten zwingen uns zu diesem anstrengenden Umweg, wobei uns die schweren Rucksäcke immer wieder in den tiefen Abgrund unter uns zu zerren drohen.

Keuchend erreichen wir die Ebene des Inlandeises. Schnee- und Eisregen prasselt uns ins Gesicht. Das Tageslicht schwindet. Und noch immer sehen wir in der Ferne keinen schwarzen Punkt in der Eiswüste, der auf die chilenische Schutzhütte hindeuten würde. Kurz vor Einbruch der Nacht taucht unser Unterschlupf nur 150 Meter vor uns in dem dichten Schneegestöber auf. Erschöpft schlüpfen wir in unsere warmen Schlafsäcke.

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Drei Tage wütet der Schneesturm. Aldo, ein Peruaner, der uns auf der Tour begleitet, versucht in dieser Zeit unentwegt aber vergeblich, zu den Parkrangern in Chalten Kontakt aufzunehmen. Sie sollen wissen, wo wir gerade feststecken und uns sagen, wie die Wetterprognose ausfallen wird.

Nach drei Tagen reißt uns der Geduldsfaden – beim ersten Tageslicht brechen wir auf! Und wir haben Glück: Langsam flaut der Sturm ab, Wolkenlücken zeigen sich und bald stampfen wir mit unserem Schneeschuhen unter einem perfekt blauen Himmel durch die Kältewüste. Eine schier unendlich weite weiße Fläche breitet sich vor uns aus, nur begrenzt in Richtung Osten durch die bizarren Bergzacken der Kordillere.

Gauchos beim Behandeln eines Kalbes auf der Estancia Nibepo Aike

Hier ist einer der letzten weißen Punkte unserer Erde, wo der Mensch nie Fuß fassen konnte. Vorsichtig tasten wir uns Meter um Meter parallel der Berge voran. Obwohl das ganze Areal vor uns wie eine geschlossene und stabile Schneedecke aussieht, wissen wir: Unter uns  könnten verdeckte tiefe Gletscherspalten lauern.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir das Ziel unserer Tour: Den Circo de los Altares. Vor uns liegen im Halbkreis angeordnet die mächtigen Zacken des Cerro Torre und seinen umliegenden Bergspitzen. Einen beeindruckenderen Zeltplatz hätten wir uns nicht erträumen können und entschädigt auf einen Schlag all die Entbehrungen und knochenharten vorangegangenen Tage entschädigt.

Eine Live-Reportage über den eisigen Grenzübergang von Heiko Beyer gibt es demnächst in Köln, Düsseldorf, Aachen und Münster. Karten für die Veranstaltung können auf der Homepage von grenzgang bestellt werden.

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