Geht es Ihnen auch so, dass Ihre Akkus zum Ende des Jahres leer sind? Damit sind Sie nicht alleine, vor allem nach kräftezährenden Geschäftsreisen. Viele Leute gehen im November und Dezember traditionell auf dem Zahnfleisch und können sich nur schwer motivieren – dabei ist das nur eine Frage der Einstellung. Karriere-Coach Dr. Bernd Slaghuis erklärt im Interview, wie Sie Ihre Motivation hochhalten, sowohl im Job als auch im Privatleben, und damit fit für den Jahresendspurt sind.

Herr Dr. Slaghuis, wie ist es derzeit um Ihre Motivation bestellt?

Oh, das ist zum Start eine überraschende Frage und wenn ich ehrlich bin, sie schwankt im Moment. Auch wenn dies vermutlich nicht die Antwort ist, die Sie von einem Karriere-Coach erwartet hatten, scheint auch bei mir nicht jeden Tag die Sonne. Und dies wortwörtlich, denn die frühe Dunkelheit sowie regnerisch trübe Tage schlagen mir in diesen Tagen etwas aufs Gemüt. Und ich finde es auch völlig in Ordnung, wenn wir nicht jeden Tag höchst motiviert und himmelhochjauchzend durchs Leben springen.


„Ich finde es auch völlig in Ordnung, wenn wir nicht jeden Tag höchst motiviert und himmelhochjauchzend durchs Leben springen.“


 

Ich liebe meinen Beruf als Karriere-Coach, der mir viele Freiheiten gibt, mir Sinn schenkt und in dem ich erfolgreich bin. Die intensive Arbeit mit Menschen macht mir Freude und ich ziehe aus ihr viel Kraft. Solange diese positiven Seiten unter dem Strich überwiegen, dürfen kurzzeitig sich breit machende Motivationslöcher für mich auch zum Leben dazugehören – und sie sollten es sogar, weil sie mein Leben auch bereichern.

Haben Sie auch bei Ihren Klienten festgestellt, dass sich einige zum Jahresende in einem Motivationsloch befinden?

Ja, eines der Anzeichen ist, dass ich im Winter und zum Jahresanfang im Verhältnis die meisten Anfragen von Wechselwilligen und Bewerbern erhalte. Wenn am Ende des Jahres die Akkus leer gearbeitet sind oder wieder ein Jahr vorüber ist, ohne den eigenen Hintern hoch bekommen zu haben und doch glasklar ist, dass eine berufliche Veränderung dringend hermuss. Und natürlich in den ersten Wochen eines neuen Jahres, solange die gesetzten Neujahrsziele noch frisch sind.

 


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Ganz interessant ist, dass sich nie Klienten mit dem konkreten Anliegen bei mir melden, dass ich ihnen aus einer akut oder chronisch mangelnden Motivation heraushelfe. Diese ist vielmehr immer eine Folge von etwas: Von langweiliger Routinearbeit, unfähigen Chefs, nervigen Kollegen oder privaten Sorgen. Auch wenn es für solche Themen eigentlich keine typischen Jahreszeiten gibt, so sind der nahende Jahreswechsel und sicherlich auch der Herbst und Winter als dunkle Jahreszeiten prädestiniert dafür, uns in solche Motivationslöcher zu schubsen.

Ganz egal, ob im Job oder im Privatleben, welche Gründe kann es haben, dass es uns schwerfällt, uns selbst zu motivieren?

In Motivation steckt „Motive“. Motive, also Anreize können sowohl aus uns selbst erwachsen als auch von außen gesetzt werden. Motivation kann durch viele unterschiedliche Faktoren gespeist und beeinflusst werden: Den Erfüllungsgrad unserer persönlichen Werte- und Zielvorstellungen im Leben und Beruf, unsere familiären Prägungen, Lebenserfahrungen und Gewohnheiten, das soziale Umfeld, in dem wir uns bewegen, und natürlich auch unsere körperliche und psychische Gesundheit.

Wem es Erfüllung gibt, sich im Job vor allem mit den jammernden Kollegen solidarisch zu erklären, der wird selbst wenig Motivation für gute Leistungen entwickeln. Wem etwa Entscheidungsfreiheit und Mitgestaltung im Job extrem wichtig sind, jedoch ständig ausgebremst und kontrolliert wird, der wird die Motivation für Neues schnell beerdigen. Wer es nicht gelernt und als positiv erfahren hat, sich als Chef des eigenen Lebens selbst zu motivieren, sondern fremdbestimmt nur auf Anerkennung und Belohnung wartet, der wird es schwer allein aus einem Motivationsloch herausschaffen.


„Wem es Erfüllung gibt, sich im Job vor allem mit den jammernden Kollegen solidarisch zu erklären, der wird selbst wenig Motivation für gute Leistungen entwickeln.“


 

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber so oft spüren wir ja auch, dass uns in einer bestimmten Situation irgendwie die Motivation fehlt, können jedoch gar nicht so konkret benennen, woran es genau liegt. Das ist aus meiner Erfahrung der Grund dafür, warum es uns dann so schwerfällt, uns selbst zu motivieren. Denn wüssten wir genau, was wir in diesem Moment für mehr Motivation benötigen, dann könnten wir uns entscheiden, daran zu arbeiten oder hierfür zu sorgen.

Daher halte ich es für wichtig, sich aktiv immer wieder seiner Werte und Motive bewusst zu werden. Hierfür braucht es Momente des Innehaltens zur Reflexion und ein gesundes Bewusstsein sich selbst gegenüber. Dies kommt in meiner Wahrnehmung in unserer immer schnelleren Lebens- und Arbeitswelt zunehmend zu kurz. Wir verlieren so den eigenen guten Draht zu uns selbst und dem, was uns im Leben sowie im Beruf wirklich wichtig ist, was uns Kraft gibt und Motivation fördert.

Inwiefern geht mangelnde Motivation auch mit der Jahreszeit oder der Tatsache einher, dass jetzt in der dunklen Jahreszeit die Akkus leer sind?

Unser Körper braucht Licht, denn es sorgt für die Ausschüttung von Glückshormonen und wichtigen Botenstoffen im Gehirn, die sich positiv auf unser Wohlbefinden und die Motivation auswirken. Fehlt uns Licht, weil wir den Tag über im Büro oder in der Produktionshalle mit künstlichem Licht verbringen und es morgens sowie abends früh dunkel ist, dann steigt das Risiko einer sogenannten Winterdepression.

 


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Dies womöglich noch in Kombination mit dem Stress, berufliche Jahresziele auf den letzten Drücker erreichen zu wollen oder sich schon im Oktober an die Planung für das diesjährig aber wirklich perfekte Weihnachtsfest mit der lieben Familie zu machen, alles das zehrt zusätzlich an unseren naturgemäß im Herbst und Winter eh schon schwächelnden Akkus.

Und wie bekommen wir die Akkus wieder voll? Gibt es ein Geheimnis zur Selbstmotivation?

Dieses EINE Geheimnis zur Selbstmotivation gibt es nicht, es sollte vielmehr jeder individuell für sich selbst entdecken, was alles in einer bestimmten Situation positiv auf die eigene Motivation und das Wohlbefinden wirken kann. Grundsätzlich gibt es viele Dinge, die uns allen guttun und von denen wir insbesondere in der dunklen Jahreszeit mehr machen sollten: Tagsüber rausgehen, Pausenzeiten nutzen und Licht tanken – auch bei schlechtem Wetter. Viel Bewegung – jeder auf seine Art und in seinem Tempo. Abwechslungsreiches Essen, das uns guttut – und vielleicht darf es mit Genuss zwischendurch auch mal das Stück Schoko-Sahne-Torte sein. Und natürlich ausreichend Schlaf mit einer guten Schlafqualität und die ausreichend freie Zeit, um selbst zur Ruhe zu kommen.

Ich bin überzeugt davon, dass unser Körper genau weiß, was uns guttut. Wir haben es jedoch immer stärker verlernt, die Signale des eigenen Körpers frühzeitig genug sowie bewusst wahrzunehmen und hierauf zu reagieren. Stattdessen kommt es mir so vor, dass wir uns heute kaum noch Phasen der Schwäche und Regeneration erlauben, sondern mit noch mehr innerem Druck und harter Disziplin gegen unliebsame Motivationslöcher ankämpfen. Dabei verbrauchen genau jene Kämpfe umso mehr des bereits schwachen Akkus.


„Wir haben es immer stärker verlernt, die Signale des eigenen Körpers frühzeitig genug sowie bewusst wahrzunehmen und hierauf zu reagieren.“


 

„In der Ruhe liegt die Kraft“, heißt es. Ich für mich habe erkannt, dass gerade die gemütlich kuschelige Herbst- und Winterzeit gut geeignet ist, um neben meiner Arbeit in Ruhe neue Energie zu tanken. Die zugegeben ab und zu vorhandenen Motivationslöcher sind gut und wichtig, um mich genau daran zu erinnern, gezielt auch mal einen Gang runter, statt gewohnt kraftvoll in den Turbo zu schalten. Wussten Sie eigentlich, dass Akkus auf Dauer an Leistung verlieren, wenn sie permanent und immer voll aufgeladen werden? In diesem Sinne sollten wir einfach mal einen Gang herunterschalten, um entspannt und gesund durch den Winter zu kommen.

 


Karriere-Coach Bernd Slaghuis
© Dr. Bernd Slaghuis

Zur Person: Dr. Bernd Slaghuis ist Experte für berufliche Neuorientierung, Bewerbung auf Augenhöhe sowie gesunde Führung. Als Ökonom und ehemalige Führungskraft kommt er aus der Praxis. In seinem Kölner Büro arbeitet der Karriere-Coach seit 2011 mit Angestellten aller Branchen an ihren nächsten Schritten im Beruf und einer gesunden Haltung als Führungskraft. Sein Karriere-Blog „Perspektivwechsel“ erreicht monatlich über 100 Tsd. Leser, er wurde von XING als „Publisher des Jahres 2018“ in der Kategorie „Job und Karriere“ ausgezeichnet und schreibt für diverse Karriere- und Management-Magazine. Weitere Informationen auf seiner Homepage.


Wie halten Sie Ihre Motivation hoch? Haben Sie Tricks, wie Sie Ihre Akkus im Job und Privatleben regelmäßigen aufladen?

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21 Kommentare

  1. Ein kluger Mensch hat mal gesagt: Wer ein „Wozu“ hat, erträgt fast jedes „Wie“.
    Wenn dies in der beruflichen Situation abhanden kommt, wird es höchste Zeit, wieder danach zu suchen oder es für sich selbst zu bestimmen.

  2. Wenn ich meine Motivation ständig hoch halten könnte, wäre ich mega glücklich und würde unaufhaltsam sein. Ein Coaching wäre dann nicht nötig.
    Leider bestellt meine Motivation immer mal wieder eine Kaffee to go.

  3. Ich (62) habe mir angewöhnt wie ein Kind zu fühlen und mein Leben jeden Tag damit zu starten, dass ich ein Abenteuer zu bestehen habe, bzw. etwas ganz Neues erleben werde…
    Das motiviert mich ungemein.
    Und es erfüllt sich täglich!

  4. Ich kann seinen Beitrag ganz deutlich bestätigen! Die dunkle Jahreszeit macht es nicht einfacher, die Motivation zu erhalten. Ein Tief einfach zu akzeptieren und die Ruhe für neue Ideen zu nutzen ist ein gutes und auch von mir erprobtes Mittel.
    Zwei Schritte, die ich hinzufügen kann: Sorgen Sie für Veränderungen. Von der kleinen bis zur großen Veränderung ist alles möglich und auch sicherlich hilfreich, um wieder wach und aktiv zu werden. Hören Sie immer den gleichen Sender zur gleichen Zeit? Einfach mal einen anderen auswählen. Sie gehen immer zur gleichen Zeit in die Mucki-Bude? Einfach mal eine Stunde später oder früher gehen. Sie sehen viele neue Gesichter, mit denen Sie sich befassen können. Ein größerer Schritt: Machen Sie einfach mal ein langes Wochenende oder eine Woche Pause und fahren in Urlaub. Ganz spontan und ohne Vorbereitung lassen Sie sich und Ihre Gedanken treiben…. dabei kommen ganz viele, neue Ideen!

Der HRS Experte Wojtek teilt mit den Lesern gerne Tipps und Tricks rund um das Thema Reisen. Wojtek reist gerne selbst in neue Destinationen und kommt von jeder Reise reicher um spannende Erlebnisse und neue Inspirationen zurück.